Hatschi !

oder

Das schwere Schicksal einer Sonnendörflerin

 

 

Shadedancer drehte sich noch einmal zur Seite. Der Morgen war kalt und man sollte nicht eher aufstehen als unbedingt nötig.

Doch mit einem Mal ertönte in der zuvor noch so friedlichen Stille des Morgens ein Geräusch. Erst leise und dann immer lauter. Ein kam spürbares Beben ließ den Baum, in dem Shadedancers Nest lag, erbeben.

‚Was mag das nur sein?’, fragte sich Shadedancer. Das Beben wurde immer stärker.

Plötzlich …

... hörte der Heiler ein erdbebenähnliches Niesen.

‚Oh, ihr Hohen, nicht schon wieder Rinil!’, dachte er genervt.

Er wickelte sich noch enger in die Felle, versuchte das Beben zu ignorieren und hoffte, dass sie nicht bemerkte, dass er da war. Doch gleich darauf ertönte dicht unter der Öffnung des Nestes eine klägliche Stimme: "Ha... Ha... Hatschiiii... Heiler?"

Entnervt durchsuchte Rinil die Taschen ihrer Kleidung nach einem Rhabarberblatt, um sich lautstark die Nase zu putzen. Sie zog sich in die Öffnung hoch und blickte sich um. Zuerst sah sie nur den Berg Felle... doch dann erspähte sie an einigen Stellen ein paar Stückchen Elf, die unter den Fellen hervorlugten.

"Shadedancer!", rief sie, gefolgt von einer Niesexplosion. "Wie kannst du nur schlafen, wenn es mir sooooo schlecht geht?", schniefte sie unleidlich und zuppelte an seiner Felldecke. Shadedancer brummte nur und überlegte, ob er sich noch weiter ungestraft schlafend stellen konnte.

Rinil beendete seine Überlegungen, indem sie ihm ruckartig die Felle wegzog.

"Uah! Bist du vom wilden Troll gebissen?", motzte er und schnappte nach dem Fell. "Mir ist kalt!"

"Ich sterbe hier und du beschwerst dich, dass dir kalt ist?!", erwiderte sie. "Du bist Heiler... also hilf mir gefälligst!"

"Du warst doch erst gestern hier... Wieso, bei den Hohen, bist du schon wieder krank?" Dann murmelte er leise: "Sonnendörfler – alles Weichelfen und Perlenrassler!"

Rinils finsterer Blick bewies, dass sie es doch gehört hatte, aber eine neuerliche Niesattacke verhinderte die Schimpfkanonade.

Shadedancer seufzte aus tiefstem Herzen. "Dann setz dich hin, halt den Mund und lass mich arbeiten!", grummelte er.

Mehr oder weniger gehorsam ließ sie sich auf die Felle fallen. Der Heiler berührte ihre Nase sanft mit seinen Fingern und nach einiger Zeit ließ das Kribbeln nach. Mit einem erleichterten Seufzer ließ sie sich nach hinten sinken, doch... da war nichts.

Rinil hatte vergessen, dass sie immer noch vor dem Eingang zum Nest saß. Gedankenschnell schoss der Heiler vor, um sie vor dem Sturz in die Tiefe zu bewahren.

"Du willst wohl dafür sorgen, dass ich mich nicht langweile?", grinste er schief.

Rinil nahm die Farbe einer reifen Erdbeere an und verschwand ohne ein weiteres Wort aus Shadedancers Nest.

Die Jäger sammelten sich auf dem großen Platz vor dem Häuptlingsbaum.

Rinil stand unschlüssig in der Nähe. Sie wäre gern mitgekommen, hatte aber keinen Wolf zum Reiten. Also schaute sie sich suchend um, ob vielleicht jemand bereit wäre, sie mitzunehmen.

Der Häuptling bemerkte es und nickte einem seiner Begleiter zu. "Shadedancer, nimm du Rinil mit auf deinem Wolf!"

Shadedancer war zwar alles andere als begeistert, wollte seinem Anführer aber nicht widersprechen. Der Heiler rutschte wortlos auf dem Rücken seines Wolfes ein Stück vor, um der Elfe Platz zu machen.

Aber kaum, dass sich die Jäger in Bewegung gesetzt hatten, hörte er hinter sich schon ein leises Schniefen. ‚Sie wird doch nicht schon wieder anfangen zu niesen?!’ dachte er frustriert und fing langsam an, an seinen Heilerfähigkeiten zu zweifeln.

In schnellem Lauf ging es in den Wald hinein. Der Elf vor Shadedancer schaute sich schon stirnrunzelnd um – dieses Niesen würde ihnen noch alle Tiere vertreiben! Doch ehe er etwas sagen konnte, war plötzlich Stille. Shadedancer hatte sich über die Ruhe in seinem Rücken schon heimlich gefreut, doch so langsam kam es ihm etwas seltsam vor. Mit einem gehässigen Lächeln drehte er sich zu ihr um.

"Na, hat’s dir endlich das Nie... ?", ...sen verschlagen, wollte er sagen, doch der Rest des Satzes blieb ihm im Halse stecken. Denn der Wolfsrücken hinter ihm war leer. ‚Wo ist denn diese Unglückselfe bloß wieder abgeblieben?’, überlegte er und verdrehte die Augen zum Himmel.

Rasch erklärte er in einem Senden seinem Anführer die Situation, bevor er sich auf die Suche nach der verlorenen Elfe machte. Auf den Spuren seinen Wolfes zurückreitend hatte er sie alsbald gefunden.

"Kann man dich denn keinen Augeblick aus den Augen lassen, ohne dass du irgendetwas anstellst?"

Rinil rieb sich den Hinterkopf. "Mir geht’s gut. Danke für die Anteilnahme", muffelte sie.

"Was kann ich dafür, wenn du nicht mal auf einem Wolf reiten kannst??", grinste er, besah sich Rinil und untersuchte ihren Hinterkopf, auf dem eine wunderbare Beule blühte.

Rinil wäre am liebsten im Erdboden versunken - wieso musste ihr schon wieder so etwas passieren? Und das ausgerechnet bei Shadedancer. Sie sah ihn an und hatte ein ganz komisches Gefühl im Bauch. Tausend kleine Bewahrer schienen in ihm einen Wettflug zu veranstalten. Um sich nichts anmerken zu lassen, gab sie sich alle Mühe, möglichst ungehalten dreinzublicken und brach unvermittelt wieder in ein lautes Niesen aus.

Wortlos reichte Shadedancer ihr ein Rhabarberblatt, das er in weiser Vorrausicht eingesteckt hatte. Rinil griff danach, doch sie hatte solch zittrige Hände, dass ihr das Blatt entglitt. Shadedancer beugte sich vor, um es aufzuheben und ihr zu reichen - aber im selben Moment bückte sich Rinil ebenfalls.

*Dong* machte es. Beide Elfen landeten unsanft auf ihren Hinterteilen und rieben sich die Stirn.

"So langsam reicht mir das - kannst du dich nicht einmal zusammennehmen?!", beschwerte sich Shadedancer und in diesem Moment trafen sich ihre Blicke…

‚Echi‘ schoss es Rinil durch den Kopf und schaute Shadedancer mit immer größer werdenden Augen an ‚Wie komme ich denn gerade jetzt auf dieses Wort?‘, überlegte sie.

Shadedancer stellte just in diesem Moment ähnliche Überlegungen an und starrte mit ebenso großen Augen zurück. Dieses eine Wort in seinem Kopf war doch nicht etwa tatsächlich der Seelenname von dieser Unglückselfe???

Vorsichtig sendete er: **Nacea?**, erhielt jedoch erst keine Antwort.

Rinil sah ihn verwundert an. "Hast du eben zu mir gesendet?", fragte sie ihn. Bei seinem Blick bekam sie ganz weiche Knie.

Shadedancer verstand nicht, was diese Frage sollte, nickte dann aber und sah sie wütend an. "Kannst du nicht mal auf mein Senden antworten, du unhöfliches Stück Webzeug?"

Rinil machte eine hilflose Geste. "Wie denn?"

Erst jetzt fiel Shadedancer wieder ein, dass Rinil ja eine Sonnendörflerin war und Sonnendörfler konnten ja nun einmal nicht senden. Doch irgendwie wagte er es nicht, dieses Wort laut auszusprechen. Ganz leise flüsterte er: "Nacea?"

"Wie?", frage Rinil verwirrt und runzelte fragend die Stirn, sie konnte mit diesem Wort im ersten Moment gar nichts anfangen. "Meinst... meinst du damit mich?", fragte sie mit unsicherer Stimme zurück.

"Nee, ich rede mit meinem Wolf", gab Shadedancer bissig zurück und seufzte innerlich. Warum stellte sie sich bloß so dumm?

Als hätte er es gehört, kam sein Wolf schwanzwedelnd näher und prompt begann Rinils Nase wieder zu jucken und zu laufen. Sie sprang auf, lief in den Wald hinein.

Shadedancer hörte, wie die Nieser sich immer weiter entfernten und dann war es ganz still um ihn herum. Da saß er nun mit seiner Erkenntnis... sein Wolf schleckte ihm tröstend über's Gesicht, aber er scheuchte ihn ungehalten fort, während seine andere... bessere... Hälfte sich so unglücklich fühlte wie noch nie zuvor. 

Rinil setzte sich mit einem herzzerreißenden Seufzer auf einen Stein und überlegte, was mit ihr geschah. Was hatte dieses Wort in ihrem Kopf zu bedeuten? Sie hatte keine Ahnung, was gerade passiert war - sie wusste nur, dass es irgendetwas Wichtiges war... Sie fühlte sich ja die ganze Zeit schon zu Shadedancer hingezogen, obwohl sie das nie im Leben zugegeben hätte - aber irgendwie wurde das auf einmal immer schlimmer.

Ob es ihm auch so ging? fragte sie sich unwillkürlich - I wo, der war doch froh, wenn er sich nicht mehr mit ihr herumärgern musste.

Rinil seufzte abgrundtief. Es war hoffnungslos, auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass Shadedancer sie wenigstens ein bisschen gern haben könnte. Wo sie ihm doch immer mit dem Niesen auf die Nerven ging und sogar von seinem Wolf runterfiel.

Schließlich stand sie auf und machte sich mutlos auf den Rückweg ins Lager, auch wenn sie nicht wusste, ob sie es fertig bringen würde, Shadedancer wieder unter die Augen zu treten. Deshalb war sie auch erst einmal froh, dass die Jäger - und Shadedancer - noch nicht zurückgekehrt waren.

Shadedancer war mittlerweile mit seinen Überlegungen an einem toten Punkt angekommen. Er schwang sich auf seinen Wolf und ritt in die Richtung, in die Rinil davongelaufen war.

Sie mussten reden - soviel stand fest. Schließlich war er ja immer noch dazu verpflichtet, auf sie acht zu geben, sagte er sich. Nach einigen Minuten begann er unruhig zu werden, weil er sie nicht fand. Sein Häuptling würde ihm das Fell über die Ohren ziehen, wenn er sie nicht wiederfand. Wo sie sich doch noch gar nicht richtig auskannte! So weit konnte sie doch gar nicht gekommen sein. Mit dem Wolf war er doch schneller als sie.

Shadedancer kehrte um und ritt die Strecke noch einmal ab - wieder nichts. Sollte er ohne sie ins Lager zurückkehren? Oder den anderen Jägern Bescheid geben?

Er entschloss sich, erst mal im Lager nachzusehen. 

Auch Rinil wurde allmählich unruhig - war Shadedancer einfach wieder zu den Jägern zurückgekehrt? Irgendwie hatte sie im Stillen gehofft, er würde ihr folgen...

Als Shadedancer im Lager ankam, sah er sich hoffnungsvoll um. Eigentlich hatte er gedacht, dass sie auf ihn warten würde.

Gleich nach ihrer Ankunft im Lager hatte sich Rinil in ihre Baumhöhle verzogen, um über die ganze Situation nachzudenken. So bemerkte sie gar nicht, dass Shadedancer längst zurückgekehrt war.

So deutlich er konnte, sendete der Heiler Rinils Seelennamen.

Die schreckte aus ihren Überlegungen auf. War da nicht ein fremder Gedanke in ihrem Hirn? Und derselbe Name wie vorhin im Wald? Er klang in ihrem Kopf nach und mit jeder Sekunde wurde ihr mehr bewusst, dass dieser Name zu ihr gehörte, dass es ihr Seelenname sein musste. Er ging ihr durch und durch. Sie hatte das Gefühl, als würde es ihr Innerstes bloßlegen. Noch nie zuvor hatte sie so etwas empfunden - außer vielleicht vorhin bei Shadedancer im Wald. Dann... war vielleicht dieses andere Wort... sein... aber nein, das konnte doch gar nicht sein...

**Nacea?** erklang Shadedancers Senden noch einmal.

Da war es wieder, dieses verwirrende Wort in ihren Gedanken.

**Jetzt melde dich schon endlich!**, maulte er. Er war mit seinem Wolf unter ihrem Baumnest stehen geblieben und blickte hinauf. Bei diesem Senden musste sie lächeln. Das klang eindeutig nach ihm.

"Haaaaaatschi", erklang die Antwort aus ihrem Baumnest.

Dann tauchte Rinils verlegenes Gesicht über ihm auf. Verstecken hatte jetzt ja wohl keinen Sinn mehr.

Shadedancer kletterte mit flinken, geschmeidigen Bewegungen zu ihr empor.

"Heh, Nieselfe, hier bist du also", sagte Shadedancer schon etwas versöhnlicher als vorhin im Wald.

Er sagte es zwar nicht, aber Rinil kam nicht gegen das Gefühl an, dass er zur Abwechslung mal froh war, sie zu sehen. Und ohne, dass sie etwas dagegen tun konnte, wurde ihr Gesicht schon wieder rot wie eine reife Erdbeere.

Shadedancer konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als sie rot wurde. Aber bei sich dachte er, dass ihr das gar nicht mal so schlecht stand.

"Statt mich zu ärgern, könntest du mich endlich mal heilen... und zwar entgültig", hielt sie ihm vor.

Shadedancer sah ihr tief in die Augen. "Ja, ich werde dich heilen, aber zuerst kommt etwas ganz anderes", flüsterte er ihr ins Ohr und drückte Rinil langsam rückwärts in die Felle.

Am nächsten Morgen:

Mit einem glücklichen Lächeln gesellten sich Rinil und Shadedancer zu den anderen Elfen.

Sofort kam Shadedancers Wolf angewieselt, legte sich Rinil vor die Füße und schlief einfach ein. Gedankenverloren streichelte Rinil den Wolf.

Der Anführer sah sie mit hochgezogener Augenbraue an. "Soso", brummte er. "Dann ist mir ja klar, warum ihr euch gestern nicht zurückgemeldet habt."

Shadedancer sah Rinil erstaunt an. "Heh, du musst ja gar nicht niesen, obwohl mein Wolf auf deinen Füssen liegt."

Aber schon als sie sich über ihn beugte, fing wieder dieses verflixte Kribbeln in ihrer Nase an. Sie lächelte Shadedancer noch liebevoll an und… musste erneut niesen.

Alle Elfen blickten sie verblüfft an. Shadedancer runzelte die Stirn - und man konnte es förmlich hören, wie es in seinen Gedanken ‚klick’ machte.

"Deine ganze Nieserei kommt von den Wölfen???"

Rinil schniefte, sah Shadedancer bemitleidenswert an und nickte. "Scheint so", antwortete sie kläglich und nieste als Bestätigung gleich noch einmal.

Shadedancer sah, dass es die anderen, ebenso wie ihn, viel Mühe kostete, nicht loszulachen. Schließlich konnte er sich ein Kichern doch nicht verkneifen. "Und natürlich erkennst du ausgerechnet einen Wolfsreiter!"

"Na ja", antwortete sie. "Vielleicht kannst du mich ja jetzt von meiner Krankheit heilen, oh großer Heiler."

Er grinste noch breiter. "Ich werde es wohl versuchen müssen, wenn ich nicht mein ganzes Leben mit deiner Nieserei verbringen will, grinste er, nahm sie bei der Hand und zog sie mit sich.

Our speciall thanks to:

-Kuschelfell, die uns durch ihr Niesen auf diese Idee brachte

-Den Herbergseltern, für die Zurverfügungstellung von Unmengen an Tee und
 Kakao.

-Mr, Morden, für die tatkräftige Unterstützung von Windfeder mit
 Computer‑Online‑Zeit.

-Der Workshop-Leitung für den netten Story-Anfang.

-Flowerstar für das schöne Bild von Rhinil und Shadedancer.

Und wie sind Flowerstar, Silbermond, Snowfeather und Windfeder auf die tollen Namen gekommen?

Shadedancer war uns von WS-Leitung vorgegeben.

Rinil leitet sich von Rhinitis (akuter) Schnupfen ab.

Die Seelennamen der beiden Helden sind die Dividierung von Echinacea (wird das so geschrieben?). Und nur zusammen sind sie Eins.

Und zum Schluss: Allen Allergikern unter uns die besten Gesundheitswünschen und wenn sie nicht gestorben sind, dann niesen sie noch heute.

Fan-Art