Am Waldsee

Teil 2

Mit einigen Schritten war er bei Feleya. Ihm wurde bewusst, dass sie ja auch fast nackt war. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter und sendete: **Ist vielleicht besser, wenn du dir was überziehst**, dann griff er nach seiner eigenen Hose und zog sie an.

Irgendwo in seiner Nähe hörte Lichtfänger ein Geräusch, er drehte den Kopf und durchsuchte das Dickicht mit seinen Augen. Irgendwo da war jemand, ganz bestimmt! Er blickte noch einmal zurück, grinste geheimnisvoll und tauchte dann in das dichte Grün ein.

Als Jaris feststellte, dass Lichtfänger verschwunden war, war es schon zu spät und der junge Elf nicht mehr zu sehen. 'Tu, was du nicht lassen kannst', dachte Jaris und musterte Sturmwind. Er hatte schon mal Elfen gesehen, die diesem in Gesicht und Haarfarbe ähnlich waren. "Gehörst du zu diesem ... Dschungelelfenstamm, Sturmwind? Moment, wie hieß der doch gleich... Schattenwaldelfen?"
Dann schaute Jaris doch ein bisschen neugierig zu Feleya hinüber, die er bisher noch nicht weiter beachtet hatte. Hmmm, also hübsch war sie, das musste er zugeben. Außerdem liefen ja auch nicht ständig nackte Elfen in diesem Wald herum... schon gar nicht weibliche!

Feleya legte den Kopf schief als noch zwei Elfen im Wasser auftauchten und irgendwas an dem Hellhäutigen taten. Schweigend stand sie eine Weile da, drehte sich dann zu ihrem Dolch um, den sie aufhob, sah wieder zu Sturmwind der auf sie zukam und einige Worte murmelte. Kurz verweilte sie noch und nahm ihre Kleider, die am Boden verteilt lagen, ebenfalls in die Hand, faltete sie und legte sie auf einen Stein, den Dolch jedoch schnallte sie an ihrem Oberschenkel fest. Der weißhaarige Elf war verschwunden und der andere kam aus dem Wasser gelaufen. Sie bemerkte, dass dieser sie beobachtete und sah zu ihm (Jaris) hinüber. Leicht lächelte sie und zog eine Augenbraue nach oben. **Na, gefällt Dir was du siehst?**, sendete sie verführerisch, bewusst das sie nur mit einem Ledertanga bekleidet war, was sie selbst aber nicht störte.

Sturmwind zuckte zusammen. Der, der als Jaris vorgestellt worden war, kannte seinen Stamm. Aber das konnte doch gar nicht sein. Die Schattenwaldelfen lebten doch abgeschieden, für sich allein und noch nie hatte ein Fremder ihren kleinen Lebensraum betreten, bis auf die andere Hälfte des Stammes.
"Ja, ich bin ein Schattenwaldelf", erklärte Sturmwind und sah zu Joran. **Zieh dir was über!**, bat er, denn der Anblick des nackten Elf ließ in ihm alles kribbeln. "Woher kennst du meinen Stamm?", wandte er sich wieder an den hellblonden Elf, der die Haare zu einem Zopf gebunden hatte.

"Also den ganzen Stamm kenn’ ich nicht, nur ein paar. Haben Lichtfänger und ich vor ein paar Jahren mal getroffen. Einer hieß Antharai - sagt dir das was, Sturmwind?"
Dann wandte Jaris sich zu Feleya um, registrierte den Unterton in ihrem Senden und zog eine Augenbraue hoch. **Interessant... mehr als das und den Dolch ziehst du wohl nie an?**, fragte er zurück, die Sachen auf dem Stein damit geflissentlich ignorierend.

Joran blickte den schwarzhaarigen Elfen immer noch mit einer Mischung aus Erstaunen und Verzücken an. "Ich glaube, ich zieh mir mal was an. Ist ein bisschen frisch, so unten ohne", grinste er und konnte sich im letzten Moment ein "ohne Krebs" verkneifen. **Lauf nicht weg, mein rabenhaariger Freund**, sendete er an Sturmwind. Ohne sich noch weiter um die anderen Elfen zu kümmern, sprang er mit einem eleganten Satz zurück ins tiefe Wasser und schwamm mit kräftigen Schwimmstössen einige Zeit unter der Oberfläche in Richtung auf den Baum zu, in dem er seine Sachen versteckt hatte. Als er ans Ufer kletterte, drehte er sich um. Der schwarzhaarige Elf hatte das Wasser genau wie die anderen beiden Elfen verlassen, stand nun am Ufer, zog sich an und flüsterte der Elfe mit den langen schwarzen Haaren etwas ins Ohr. 'Ob sie ein Paar sind?', überlegte Joran, während er seine Sachen aus dem Versteck holte und sich anzog. 'Dann kann ich es auch nicht ändern. Noch mal stecke ich mich nicht zwischen zwei Elfen. Wenn er was von mir will, dann soll er kommen. Ich werde ihm zwar keine Steine in den Weg legen, aber ich werden mich auch nicht zwischen sie drängen.'

Jorans Gedanken schweiften zurück in die Vergangenheit. Es war nicht allzu lange her und der Grund für seine jetzige Wanderschaft. Er hatte sich im letzten Stamm, der ihn aufgenommen hatte, haltlos in Ringg verliebt. Er hatte sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit Sturmwind, zu mindest was die äußere Erscheinung an ging. Die selben schwarzen Haare, auch wenn die Ringgs genauso kurz wie seine eigenen waren, die selben dunklen Augen. Auch Ringg war so jung wie Sturmwind, gerade mal 18 Sommer. Aber da war dann noch Rikka. Sie war die Tochter des Häuptlings und hatte ebenfalls ein Auge auf Ringg geworfen. Nun stand Ringg zwischen ihnen und war hin- und hergerissen zwischen seiner vorbehaltslosen Freundschaft zu Joran und dem Begehren von Rikka. Joran hatte um Ringg gekämpft, doch letztlich hatten Rikkas Reize gesiegt. Er hatte eines nachts seine Sache zusammengesucht, hatte Ringg den kleinen Dolch, den er für ihn angefertigt hatte, auf das Schlaffell gelegt und war davon gegangen. Er wollte den beiden nicht im Wege stehen.

Nachdenklich griff er nach dem Karfunkelstein, der an einem Lederband um seinen Hals hing. Ringg hatte ihn ihm geschenkt. Sie waren zusammen in den Bergen gewesen, hatten gejagt. In der Nacht hatten sie Schutz in einer Höhle gefunden. Joran hatte ein Feuer im Eingang entzündet und Ringg war tiefer in die Höhle hineingelaufen, um sie zu erkunden. Aufgeregt war er zurück gekommen, hatte sich eine Fackel geholt und ihn aufgeregt aufgefordert, ihm zu folgen. Als sie um einen Felsvorsprung kamen, breitete sich vor ihnen eine große Höhle aus, deren Decke und Wände im Widerschein der Fackel glitzerte und leuchtete. Eine Weile standen sie staunend dort, bis sich Ringg bückte und einen besonders schönen Stein aufhob und ihn Joran mit den Worten: "Als Unterpfand unserer ewigen Liebe." schenkte. In dieser Nacht hatte Ringg seine Unschuld verloren.

An all' diese Dinge dachte Joran, als er langsam um den See herum auf die anderen Elfen zu ging.

Langsam wanderte ihre Hand in die Richtung von ihrem Dolch wie als Antwort, ohne ihren Blick von dem Fremden zu wenden. Sturmwind war vergessen, schließlich auch nur ein Elf. Neugierig sah sie den Fremden an, achtete nicht darauf worüber sie sich unterhielten **Hast Du auch einen Namen?** sendete sie stattdessen, ließ ihre Augen kurz gelb erscheinen

Ein heißes Feuer breitete sich in seinem Leib aus, als er Jorans geschlossenes Senden empfing. Er schaute zu Joran, sah wie dieser wieder im Wasser verschwand und blieb wie angewurzelt stehen. **Ich warte**, antwortete er zögerlich, dabei versuchte er das Chaos in seinem Inneren zu verbergen. Ob der Elf es gespürt hatte? Es war lange her, dass er sich über das Senden verständigt hatte. Überhaupt war es ewig her, dass er zu Elfen Kontakt hatte und nun waren es gleich so viele. Etwas unsicher sah er sich um, dann wandte er sich an Jaris, als dieser ihn angesprochen hatte.

Hinter Sturmwinds Stirn arbeitete es. Antharai, ja den Namen hatte er schon mal gehört. War das nicht der Enkel, von Kalerm, dem Anführer der anderen Gruppe? "Ja.", murmelte Sturmwind und kratzte sich nachdenklich an der Schläfe. "Der Name sagt mir etwas, aber ich kenne ihn nicht. Das ist die andere Hälfte des Stammes." Traurigkeit stieg ihn ihm auf. Er hatte sie so lange gesucht und doch nie gefunden. Hoffnung keimte in ihm auf. "Jaris, weißt du, wo sie leben? Ich habe lange nach ihnen gesucht. Mein Bruder lebt bei ihnen und ich muss ihm doch sagen, dass unsere Eltern gestorben sind."
Er bemerkte sehr wohl, das Jaris und Feleya sich beäugten. Aber, vielleicht war es gut so. Sturmwind war auf alle Fälle glücklich darüber, dass Joran hier aufgetaucht war. Sturmwind hatte eigentlich eine eigene feste Vorschrift und die hätte er beinah über den Haufen geworfen für die unbekannte Elfe.
Nein, nie wieder, rief er sich zurecht. Ich warte, bis ich den Richtigen treffe.

Joran ging langsam. Er wollte dem jungen Elfen Gelegenheit geben, eventuelle Unklarheiten mit der aufregenden Elfe zu klären. 'Sie sieht ja gut aus.', dachte er grinsend. 'Wenn man auf Frauen steht!' Und wie sah es mit dem Elfen aus? Was wäre, wenn er so gar kein Interesse an Männern hätte? Es wäre wirklich zu schade. Joran dachte darüber nach, was er wohl machen würde, sollte ihn der andere abweisen. 'Was soll ich schon tun? Wie immer, meine Sachen packen und gehen.' Seufzend blieb er stehen, denn er hatte die Gruppe der Elfen erreicht. Verwundert stellte er fest, dass der weißhaarige Elf nicht mehr da war.
"Ich bin dir noch eine Antwort schuldig, Rabenhaar", sagte er zu Sturmwind.

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