Am Waldsee

Teil 4

Sturmwind sah zu Joran, als dieser sprach. Ein leises Räuspern, dann erklärte er mit klopfendem Herzen: "Ich komme aus dem Nachtschattenwald. Da ist es noch wärmer als hier. Der Wald hier ist sehr spärlich, gegen den Dschungel in dem ich aufgewachsen bin."
Er erkannte wie Joran es sich gemütlich machte und antwortete auf dessen letzten Satz: "Mich stört es nicht. Du kannst es ruhig auslassen." Noch immer konnte er seinen Blick nicht von dem Elf mit der hellen Haut wenden. Ein leichtes Ziehen im Magen ließ ihn zusammenzucken, als Joran ihn bat sich doch zu ihm zu setzen. Mit weichen Knien und feuchten Fingern ließ er sich neben Joran nieder. Er zog die Beine an und schlang die Arme um die Knie. Joran musste ja nicht merken, wie sehr ihm die Finger zitterten. Was war nur mit ihm los? Noch nie hatte er sich so unsicher in Gegenwart eines Elfen gefühlt?
Der amüsierte Gedanke von vorhin, als er eine Anspielung auf Jorans Rufnamen gemacht hatte war verschwunden. Jetzt war der Satz ihm peinlich. Normalerweise hatte er ein vorlautes Mundwerk, doch gerade jetzt verließ es ihn.
"Was ich mir davon verspreche?", wiederholte er leise. "Gar nichts..." Ach wirklich nicht? "Ich habe nur an die Elfinnen gedacht, die dir näher kommen..." Sturmwind verstummte. Die Situation war ihm plötzlich peinlich, denn ein anderer Gedanke drängte in ihm hoch. Was ist, wenn er dir näher kommt? Ob seine Zunge hielt was sein Name versprach?
Er musste den Gedanken entkommen und wechselte das Thema. Er ahnte was Joran mit seiner letzten Frage wissen wollte, doch darauf würde er ihm nicht so antworten.
"Ich bin in einer stürmischen Nacht geboren worden. Es ging so schnell, dass meine Eltern nicht mehr viel zu tun hatten." Sturmwinds Blick suchte die grünen Augen. Er glaubte darin zu versinken.

"Wieso Elfinnen?", griff Joran Sturmwinds früheren Einwand auf. "Ich will dir gleich klares Wasser einschenken ( -->elfische Umschreibung für reinen Wein *g*). Ich habe für Frauen nichts übrig. Aber keine Angst, ich überfalle keine kleinen, unschuldigen Elfenjungs", grinste er ihn breit an. 'Jedenfalls nicht, wenn sie es nicht wollen.', fügte er in Gedanken hinzu. Dabei hatte er sich weit vorgebeugt um Sturmwind in die faszinierend dunklen Augen zu schauen. "An deinen Blicken sehe ich, dass dich an mir mehr als nur die Farbe meiner Augen interessiert", sagte er leise und ganz dicht an Sturmwinds Gesicht. Er beugte sich noch ein Stück vor. Wenn der Junge wirklich was von ihm wollte, bot er ihm damit die Gelegenheit ihn entweder zu küssen oder wenigstens auf seine Bemerkung einzugehen.

Sturmwind war wie vor den Kopf geschlagen und völlig sprachlos. Etwas arg verdattert blickte er Joran an. "Überfallen?", entrutschte es ihm, dann antwortete er auf die letzte Frage: "Ich bin in meinem Leben noch nie auf hellhäutige Elfen getroffen. In meinem Stamm sind alle so dunkel wie ich. Das ist es, was mich an dir fasziniert hat."
Plötzlich kam Joran ihm näher, suchte seinen Blick und Sturmwind schloss die Augen. Es fiel ihm schwer, in das helle Grün zu schauen. Jorans Atem streifte seine Wange und das jagte ihm einen ungewollten Schauer über den Rücken.
Mit den Händen stützte er sich auf dem Boden ab, um sich ein Stück zurückzuziehen. Die plötzliche Nähe war ihm zwar nicht unangenehm, aber ... er wusste selber nicht, was mit ihm los war. Auf der einen Seite würde er die Haut, die ihn an weiße Orchideen erinnerte, gern berühren, aber etwas hielt ihn davon ab, wenn er auch nicht sagen konnte, was es war.

'So, so, meine helle Haut fasziniert dich also. Schade, dann habe ich deine Zeichen wohl falsch gedeutet. Sollte ich mich so geirrt haben?', dachte Joran ein wenig enttäuscht. Er zog sich zurück, als Sturmwind die Augen schloss und sich nach hinten abstützte. Er wollte den Jungen nicht bedrängen, denn er hätte nicht gedacht, dass er noch SO unschuldig war. 'Da habe ich mich wohl ein bisschen zu weit vorgewagt. Hoffentlich kann ich das wieder gutmachen. Er ist wirklich ein netter Kerl und ich würde ihn ungern als Freund verlieren, wenn er schon nicht auf mein Angebot eingehen mag.'"Ich wollte dir nicht zu nahe treten", sagte er dann leise. "Aber ich habe schlechte Erfahrungen gemacht, wenn ich meine Neigung verberge." Noch leiser, so leise, dass Sturmwind es überhören konnte, wenn er wollte, fügte er hinzu: "Und wenn ich zu ihr stehe auch."

Sturmwind war überrascht davon, dass Jaron so direkt war. Noch nie hatte er einen Gedanken daran verschwendet, dass auch zwei männliche Elfen Liebende sein konnten. Er hatte zwar schon davon gehört, sich aber nie Gedanken darüber gemacht, da ihn dies nicht interessiert hatte. Bis jetzt ...
Verzweifelt suchte er nach Worten, die er darauf erwidern konnte. "Ich habe in dieser Beziehung keinerlei Erfahrungen und kann mir deshalb kein Urteil erlauben."
Nun, da Joran sich ein Stück von ihm entfernt hatte, schaffte Sturmwind es auch wieder, in die hellen Augen zu schauen. Er konnte immer noch nicht glauben, dass jemand die Augenfarbe von grünem Mundfeuer (Chilischoten) hatte. Irgendwie fand er es traurig, dass er die Nähe zu dem Elf verloren hatte, jedoch war er auch ganz froh darüber, weil er sich nun sicher sein konnte, dass Joran das heftige Pochen seines Herzens nicht hörte.

Intermezzo in Jorans Hirn:

Weißer Elf (WE) (triumphierend):" Siehst du, ich habe es dir doch gleich gesagt, dass geht nicht gut. Der Junge ist noch viel zu jung dafür."
Roter Elf (RE) (leicht schmollend):" Quatsch, dafür ist man nie zu jung. Der hat nur Angst."
WE (lehrmeisterisch): "Klar hat er Angst, so wie Joran rangeht. Es war ziemlich unklug, gleich mit der Tür ins Haus zu fallen und ihm zu sagen, das er .... das er..... (sucht nach den richtigen Worten)....na eben das er nur auf Männer steht. Wenn Joran so weiter macht, wird er noch weglaufen."
RE: "Blödsinn! Joran wird ihm schon klar machen, was er dann verpasst."
WE (mit weitaufgerissenen Augen, entsetzt): "VERPASST??? Da gibt es nichts zu verpassen."
RE (breitgrinsend): "Ja sicher gibt es da was zu verpassen!! Soll ich dir zeigen, was man da verpasst??" (Macht einen Schritt auf WE zu)
WE (entsetzt zurückweichend): "Untersteh' dich!!! Können ja nicht alle so gei.... ähm..... na eben so darauf versessen sein wie du."
RE (diabolisch grinsend): "Nee, nicht alle, aber viele."
Spricht’s und wirft sich mal wieder auf den Weißen.
WE (aufkreischend): "Aaaaah, lass dass!!! Nicht schon..... uh..... wieder.... ouh.... auweih..... hmmm... schnurr.... jaaa... "

Er konnte sich denken, welcher Gefühlssturm nun in dem jungen Elfen tobte. "Du musst dir auch noch kein Urteil bilden, Sturmwind", sagte er leise und strich ihm vorsichtig mit den Fingerkuppen über die Wange. "Du bist noch jung und kannst dir alle Zeit der Welt mit dem Sammeln dieser Erfahrung lassen. Ich bin eben manchmal ein bisschen zu schnell mit dem Mundwerk." Er grinste schief. "Nun weißt du auch, woher der Name Flinkzunge kommt. Manchmal denke ich, ich sollte mich lieber Vorlautes Mundwerk nennen." Mit einem Seufzer lehnte er sich wieder zurück an den Baum. Er besah sich den Jungen eine Weile, wie er dort saß und mit seinen Gefühlen haderte. Genauso hatte er sich vor 9 Sommern auch gefühlt, als er sich darüber klar wurde, dass seine Zuneigungen ausschließlich männlichen Elfen galt. Lange Zeit hatte er sich für unnormal oder sogar krank gehalten. Der Häuptling und der Schamane seines Stammes hatten ihn in dieser Meinung noch bestärkt und ihm dann irgendwann sogar ein Ultimatum gesetzt. Doch Joran hatte mittlerweile für sich entschieden, dass er sich nicht ändern konnte. Er konnte nicht sein Inneres so gegen seine Überzeugung umkrempeln, nur um den geforderten Normen zu entsprechen. Also ging er. Auf seiner Wanderschaft lernte er dann Kalil kennen, der ihm zeigte, dass seine Neigung völlig normal war und wie schön und bereichernd die Vereinigung sein konnte.

Sturmwind atmete hörbar ein. Die ganze Situation war irgendwie zu viel für ihn. Sein Herz schlug so hart und laut wie noch nie zuvor in seinem Leben. In seinem Magen tobten sich irgendwelche Tiere aus und seine Hände waren feucht und das alles nur wegen dem blonden Elf mit den grünen Augen.
Er erinnerte sich an ein Gespräch mit seiner Mutter, als sie ihm erzählte, wie Vater und sie sich fanden. Sie hatte von ähnlichen körperlichen Veränderungen geredet. Konnte es sein, dass er mehr in Joran sah?
"Ich werde mir auch die Zeit lassen, die ich brauche", flüsterte Sturmwind, als Jorans Finger seine Haut berührten. Blitze schlugen in seinem Unterleib ein. Das kann doch alles gar nicht sein...
Er griff nach der Hand, hielt sie fest und drückte sie sacht von sich weg. Jorans Hand war warm. Die Berührung ließ das Blut in ihm aufwallen. Es fühlte sich besser an als vorhin bei Feleya, aber warum?
Sturmwind hielt die Hand Jorans etwas länger fest als nötig war, dabei sah er in die grünen Augen und fragte sich, wie das wäre, einen männlichen Elf zu berühren. Weit her war es ja wirklich nicht mit seinen Erfahrungen.

Joran sah wie gefesselt in diese dunklen Augen, die ihm bis auf den Grund seiner Seele zu blicken schienen. "Deine Augen sind wie Karfunkelsteine. Sie ähneln so sehr denen von Ringg", flüsterte Joran. Dann zog er, ohne Sturmwinds Blick loszulassen, ganz sachte die Hand, mit der der schwarzhaarige Elf die seine umfangen hielt, an seine Lippen und hauchte einen Kuss auf die Finger.

"Ringg?", hauchte Sturmwind ganz leise. Er wollte eigentlich gar nicht nachfragen, um nicht neugierig zu erscheinen, doch ihm war der Name einfach über die Lippen gerutscht, dann riss er die Augen auf. Was Joran da gerade tat, war...
Er sah wie die Lippen Jorans sich auf seine Finger legten. Es war dem jungen Elf unmöglich klare Gedanken zu fassen. Das war alles so unreal und doch so schön. Diese zarte Berührung ließ ihn beben. Noch nie hatte ihm jemand auf diese Art und Weise gezeigt, dass er ihn mochte. Ihm gefiel diese Aufmerksamkeit und zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte er sich nicht einsam. Sollte er Joran seine Hand entziehen oder ihn gewähren lassen? Er wusste es einfach nicht.
Nein, dass geht alles so schnell. Ich kenne ihn doch kaum. Nicht mal meine Mutter hätte das jemals getan. Auch wenn es ihm nicht gefiel, zog er seine Hand mit einem Ruck fort, doch er hielt den Blickkontakt aufrecht. Irgendetwas in ihm schrie plötzlich nach mehr. Er wünschte sich plötzlich in diese Arme. Einmal wieder festgehalten werden und beschützt sein, so wie früher.
**Joran?** Nur ein leiser Ansatz zu einer Frage, denn er wusste selber nicht, was er eigentlich wollte. Aber das Senden würde schon ausreichen um dem Elf seine Einsamkeit und Trauer spüren zu lassen.

"Verzeih, ich wollte dich nicht erschrecken", sagte Joran, als Sturmwind ihm so abrupt seine Hand entzog und senkte den Blick. Er musste den Blickkontakt unterbrechen, sonst hätte er bestimmt wieder etwas Unüberlegtes getan, was den jungen Elfen garantiert für immer verschreckt hätte. Die Trauer und Einsamkeit, die ganz deutlich im Senden mitschwang, fühlte er sehr wohl und seine erste Reaktion darauf war, Sturmwind einfach in die Arme zu nehmen und ihm die Geborgenheit und Wärme zu geben, nach der dieses Senden geradezu schrie. Aber erst einmal wollte er ein wenig Zeit gewinnen, um sich über seine eigenen Gefühle klar zu werden. Wollte er wirklich etwas von diesem Jungen? Vielleicht mehr als nur ein kurzes Abenteuer in den Fellen?

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