Am Waldsee Teil 5 JAAA, schrie der kleine weiße Elf mit den Schwanenflügeln in seinem Hirn.Nur eine Freundschaft? Oder wollte er ihn als Geliebten oder gar als Gefährten? GELIEBTER, grölte der Bocksbeinige. Aber ehe die beiden wieder in langatmige Diskussionen verfielen, blendete Joran sie einfach aus und beantwortete Sturmwinds Frage. "Ringg ist..... war", verbesserte er sich, "mein Geliebter. Wir waren einige Zeit Gefährten, bis...... bis....." Er wusste nicht, wie er es Sturmwind erklären sollte, ohne den Jungen in das selbe Gefühlschaos zu stürzen, in dem er sich damals befand. Er schluckte hart, ehe er sich einen Ruck gab. Er war immer ehrlich gewesen, manchmal vielleicht ZU ehrlich, wie eben bei Sturmwind, aber er wollte ihn nicht belügen. "...bis sich Ringg den Konventionen des Stammes beugen musste und eine Verbindung mit Rikka, der Tochter des Häuptlings, eingegangen ist. Von ihm habe ich auch diesen Karfunkelstein." Joran spielte gedankenverloren mit dem Stein, der an einem dünnen Lederband um seinen Hals hing. "Als Unterpfand unserer ewigen Liebe, hat er gesagt." Bitternis schwang in den Worten mit. "Aber ich will dich nicht mit meinen Sorgen belasten, Rabenhaar, denn ich fühle, dass du eine große Last auf deiner Seele mit dir herumträgst." **Magst du mir davon erzählen? Oder reißt es frischverheilte Wunden wieder auf?** Joran wechselte bewusst zum Senden, denn diese Frage war ihm einfach zu intim, um sie laut auszusprechen.
Die Entschuldigung
drang in Sturmwinds Gehörgänge. Plötzlich bereute er, dass er Joran
seine Hand entzogen hatte, schließlich war es schön gewesen, irgendwie
zumindest. Sturmwind fing seinen Blick wieder ein. Wie gebannt starrte er in die dunklen Seen. Dann brachen Bilder über ihn herein, die an Intensität und Gefühlsdichte kaum zu überbieten waren. Joran senkte keuchend den Blick, stütze sich nach vorne mit den Händen ab. Jetzt konnte er die Traurigkeit in Sturmwinds Blick verstehen - verstehen, warum der junge Elf so distanziert und irgendwie auch verschreckt reagiert hatte, als er ihm seine Gefühle gezeigt hatte. Dann hörte er Sturmwinds Worte und blickte wieder auf. Er sah, dass der Junge zitterte, überwältigt von seinen Gefühlen - und er sah auch die Tränen. Vorsichtig beugte er sich vor, hob mit zwei Fingern sachte Sturmwinds Kinn an, damit er ihm in die Augen blicken konnte. **Die Zeit der Einsamkeit ist nun vorbei. Wenn du magst, kannst du bei mir bleiben.** Mit dem Daumen wischte er eine Träne von Sturmwinds Wange. Einer inneren Eingebung folgend, küsste er ganz sanft die restlichen Tränen fort, dann nahm er ihn behutsam in den Arm.
**Ich denke darüber nach**, sendete Sturmwind, wobei er versuchte, die Trauer wieder tief
in sich zu verbannen, so wie er es in den letzten Neumonden getan hatte.
Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht, als Joran ihm die
Tränen mit dem Daumen von den Wangen strich. Doch als er Jorans Lippen
spürte, versteifte er, hatte er doch keine Ahnung, wie er darauf
reagieren sollte. Unerwartet fühlte er sich von Joran in den Arm
genommen und ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit, das ihn an Zuhause
erinnerte, hüllte ihn ein. So hatte auch seine Mutter ihn immer
festgehalten, wenn er sich als Kind verletzt hatte. Unbewusst schmiegte
er sich enger an den warmen Körper. Mit tränenerstickter Stimme flüsterte
er: **Warum tust du das? Du kennst mich doch gar nicht.**
Joran wiegte Sturmwind sanft in seinen Armen. ** Nein, ich kenne dich noch nicht richtig, aber ich spüre deine große Trauer und Einsamkeit. Und ich weiß, was mir in so einer Situation hilft. Jemand, an den ich mich anlehnen kann.** Beruhigend strich er dem Elfen über den Rücken. "Ich habe dich schon wieder verschreckt, nicht wahr? Ich bin einfach zu impulsiv." Er schob ihn ein kleines Stück von sich weg, um ihm in die tränenfeuchten Augen zu blicken, entließ ihn aber nicht gänzlich aus seiner liebevollen Umarmung. "Sag einfach Halt, wenn ich etwas tue, dass dir nicht behagt. Ich bin es einfach nicht gewöhnt, dass jemand noch gar keine Erfahrung in diesen Dingen hat", sagte er mit einem betretenen Lächeln. "Jetzt weißt du auch, warum man mich Flinkzunge nennt", grinste er verlegen. "Ich bin einfach zu schnell mit dem Mundwerk und oft genauso unüberlegt in meinem Handeln. Sei mir bitte nicht böse deswegen." Aufmunternd lächelte er den Jungen an, zog ihn wieder sachte in seine Umarmung und setzte das beruhigende Streichen fort.
"Ist schon in
Ordnung." Sturmwind wischte sich die letzten feuchten Spuren von
den Wangen, lehnte sich zurück gegen den kleineren Elf und beschloss,
die Nähe zu dem Anderen erst mal auszukosten. Stumm zog er die Arme
Jorans enger um sich.
**Klar helfe ich dir,
deinen Bruder zu suchen, aber bestimmt nicht mehr heute**, sendete er
mit einem kleinen Grinsen, das sich deutlich in seinem Senden mitteilte.
Joran genoss das Gefühl, das der junge Elfenkörper in seinen Armen ihm
vermittelte. Sachte, um Sturmwind mit seiner Art nicht wieder zu
verschrecken, beugte er den Kopf vor und kuschelte sein Gesicht in die
schwarze Haarflut. Tief sog er den Duft ein. "Hm, deine Haare
riechen wie Schneesterne. Ich habe diesen Geruch immer sehr geliebt,
denn er zeigte das Ende des weißen Todes an." Vorsichtig zog er
ihn noch ein bisschen näher und intensivierte ebenso vorsichtig sein
Streicheln.
Ein Schauer nach dem
anderen jagte durch Sturmwinds Körper. Was war das? Wieso löste Joran
bei ihm dieses angenehme Prickeln aus? Er genoss die Umarmung und wünschte
sich, es würde nie wieder anders sein.
Joran grinste in sich
hinein, als er Sturmwinds Seufzen hörte und das sachte Streicheln auf
seinem Handrücken spürte. 'Scheint dir also doch zu gefallen, Kleiner,
was?', dachte er sich.
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