Am Waldsee

Teil 7

Das junge Glück? Sturmwind hatte das Gefühl, jemand öffnete unter ihm den Boden. Hilfesuchend schaute er Joran an. Wie viel wusste Feleya von seinen undefinierbaren Gefühlen? War er so leicht zu durchschauen? Aber was konnte Feleya ahnen, was er selber gar nicht wusste?
Verwirrt nickte er Feleya zu. Gleich würde er mit Joran wieder allein und seinen Emotionen hilflos ausgesetzt sein. Am Liebsten hätte er Feleya gebeten zu bleiben, ihnen Gesellschaft zu leisten, doch genauso gern wollte er mit Joran allein sein. Hin- und hergerissen zwischen seinem Herz und seinem Kopf, blieb der junge Schattenwaldelf stumm und wartete auf Jorans Antwort.

**Na, meine Schöne, bist du etwa eifersüchtig?**, fragte Joran grinsend. Er hatte die unsicheren Blicke Sturmwinds bemerkt und konnte sich den Sturm der widerstreitenden Gefühle in der Seele des Jungen gut vorstellen. War es ihm doch zu Anfang, als er entdeckte, dass seine Liebe seinem eigenen Geschlecht galt, nicht viel anders ergangen. **Aber.... junges Glück? Da interpretierst du ein bisschen zu viel hinein, schöne Katze.**
Dann wandte er sich zu Sturmwind um. "Wollen wir das Farnkraut erst mal in die Höhle bringen? Ich denke, wir haben genug gesammelt." Er sah wieder in diese unergründlichen Augen, die ihn immer tiefer zu ziehen schienen. **Wollen wir dann noch mal sehen, ob wir ein bisschen Jagdglück haben und uns ein Abendbrot besorgen können??**, fragte er Sturmwind und hatte schon fast wieder die Gegenwart der anderen Elfe vergessen, so sehr zogen ihn diese dunklen Augen in den Bann. 'Flinkzunge, nimm dich zusammen. Kannst du nur noch daran denken?', fing der kleine weiße Elf in seinem Kopf schon wieder an zu zetern. 'Er ist auf so eine unschuldige Art so immens verführerisch und er erinnert mich so sehr an Ringg, dass ich gar nicht anders kann.', antwortete er dem Weißgekleideten.

Sturmwind nickte und sammelte das Farnkraut auf, dass seinen Händen entglitten war. Es fiel ihm unsäglich schwer, sich von Joran abzuwenden und er überlegte was geschehen würde, wenn er mit dem blonden Elf allein in der Höhle hockte. Ein Schauer rieselte ihm über den Rücken und er schüttelte sich leicht, bei den Gedanken an... Nein, Sturmwind hör auf, rügte er sich und war froh, als er Jorans Frage vernahm. "Ist eine gute Idee, dann kann ich mal wieder meinen Bogen benutzen."
Ablenken, nur ablenken. Der kleinere Elf hatte eine Wirkung auf ihn, die ihn zittern ließ. Ob Feleya Recht hatte? Wusste die Elfe, was in Sturmwind vor sich ging und verstand die Gefühle einzuordnen? Vorsichtig warf Sturmwind einen Blick zu der Gestaltwandlerin.

Feleya lächelte nur und legte ihren Dolch zurecht, der verrutscht war, bevor sie sich umdrehte und in den Büschen verschwand.

Der blonde Elf hörte das Rascheln der Blätter, als Feleya die Lichtung verließ. Er blickte ihr nach, dann sah er wieder Sturmwind an. "Ich hoffe, wir haben sie jetzt nicht vergrault?", fragte er. "Aber Gestaltwandler sind mir unheimlich. Ich kann ihre Magie nicht richtig einordnen, ob sie gut oder böse ist." Eine Gänsehaut lief ihm über den Rücken und er schüttelte sich kurz, so, als ob er ein unliebsames Tier abschütteln wollte. Gedankenverloren strich er Sturmwind eine Strähne seines langen schwarzen Haares hinter das Ohr. "Komm, lass uns unser Nachtlager in der Höhle fertig machen und dann jagen gehen. Lange bleibt mein Magen nämlich nicht mehr ruhig."

Sturmwind zuckte nur mit den Schultern. Er glaubte nicht, dass sie Feleya vertrieben hatten, sondern eher, dass Feleya sie mit Absicht allein gelassen hatte. Heiße Wellen liefen durch seinen Leib, als Jorans Finger über seine Wange strichen und Haarsträhnen aus seinem Gesicht beseitigten.
Er hob schon seine Hand, um sie auf Jorans zu legen, um sie enger an sein Gesicht zu drücken, doch er ließ sie wieder sinken, ehe er Jorans Haut berührte. Was war das? Wieso stand sein Körper ständig in Flammen, wenn der blonde Elf ihm so nah kam? Konnte es das sein, was er vermutete? Aber... Er schaffte es nicht weiter darüber nachzudenken. Sein Kopf erlaubte es ihm einfach nicht.
"Ja, lass uns die Schlafstätten herrichten." Er benutzte mit Absicht die Mehrzahl, war er doch gespannt, wie Joran reagieren würde.
Ein Gedanke hielt ihn jedoch fest und das nicht erst seit eben? War er dabei, sich zu verlieben?

Er grinst, als er bemerkte, das Sturmwind von "Schlafstätten" sprach. 'Keine Angst, Kleiner, ich werde schon nicht über dich herfallen.', dachte er. 'Obwohl die Idee durchaus ihren Reiz hat. Nein, nein... vielleicht will er gar nicht wirklich und ich interpretiere mal wieder viel zu viel in seine Reaktionen und Gesten hinein. Obwohl.... nein, abwarten und Traumbeerenbrand trinken. Mal sehen, was sich so noch ergibt.' Mit diesen Gedanken drehte er sich endgültig zum Gehen um und stiefelte los zum Baum. Er blickte kurz über die Schulter, um sich zu überzeugen, dass Sturmwind ihm folgte, dann legte er ein flottes Tempo vor, um die Farnblätter endlich los zu werden.

Am Baum angelangt, ließ er die Blätter fallen und kletterte flink in die Höhle, dann steckte er den Kopf aus der Öffnung und rief zu Sturmwind hinunter: "Reich mir die Farnwedel rauf, dann kann ich sie mit den Kräutern, die ich unterwegs gesammelt habe, hier ausbreiten und das Lager bereiten, damit wir nachher schnell in die Felle huschen können."
Er benutzte mutwillig diese Formulierung, denn er wusste, dass das Sturmwind gewiss das Blut in die Wangen trieb, was ein zu schönes Bild war.

Sturmwind fiel es nicht schwer mit dem kleineren Elf Schritt zu halten. Er schaute Joran nach, als dieser den Baum erklomm und senkte verschämt den Kopf, als ihm bewusst wurde, dass er dem blonden Elf auf die Kehrseite schaute.
Er hob den Blick erst wieder, als Joran ihn ansprach. Die Augen des Elf blitzen unternehmungslustig und so reichte er ihm das Farnkraut hoch, dabei dachte er über die letzten Worte von Joran nach. "In die Felle huschen? Wir schlafen doch auf Farnkraut?"

Joran blickte aus der Höhle zu Sturmwind hinunter. "Sicher schlafen wir auf Farnkraut, aber doch nicht direkt. Wir legen am Besten meine beiden Wolfsfelle drunter und decken uns mit deinem gelben Streifenfell zu." Dann verschwand der blonde Haarschopf, nur um kurze Zeit danach wieder aufzutauchen. Mit den Bögen der beiden Elfen, ihren Köchern und einem Beutel sprang er behände auf den Boden und sah Sturmwind in die Augen.
"In die Felle huschen sagt man bei den Nordland-Elfen, wenn man ausdrücken will, dass man sich zum Schlafen zurückzieht." Er erklärte ihm wohlweißlich nicht, dass dieser Ausdruck durchaus noch eine andere, wesentlich pikantere, Bedeutung haben konnte. 'Kommt Zeit, kommt Rat, kommt vielleicht dieser superverführerische kleine Elf in meine Arme.', dachte Joran.

Der weiße Elf in seinem Hirn wollte gerade lautstark gegen diesen letzten Satz protestieren, als er einfach von hinten von dem kleinen roten Elfen mit dessen dreizackiger Gabel niedergeschlagen wurde. Zufrieden grinsend murmelte er: "Diesmal kein Kommentar von dir, Weißhemdchen."

Sturmwind lauschte Jorans Erklärung und schluckte leicht. Die Worte des blonden Elf ließen ihn unsicher werden. Wir legen uns und wir decken uns? Wollte der Elf mit Sturmwind das Schlaflager teilen? Bei dem Gedanken zog es dem Schattenwaldelf den Magen zusammen. Nein, du hast dich verhört. Er meinte, dass jeder auf seinem Platz schläft, oder? Obwohl, den Körper zu fühlen und mit dessen Geruch in der Nase ließ es sich sicherlich sehr gut einschlafen.
Verdammt, Sturmwind, reiß dich zusammen. Joran ist ein Elf und keine Elfe. Gut, der Elf aus der Kälte hatte ihm zwar schon mitgeteilt, dass er auf Männer stand, aber... Konnte es wirklich sein?
Sturmwind schreckte aus seinen Überlegungen hoch, als Joran vor ihm auf dem Boden aufkam. Er nahm ihm ohne ein Wort seinen Bogen und seinen Köcher ab und nickte dankend.
"Bei uns sagt man einfach nur schlafen gehen." Sturmwind spürte wie ihm Blut in den Kopf schoss, als ihm einfiel, wie seine Vater immer sagte, er gehe mit seiner Mutter das Schlaflager teilen.
War in die Felle huschen, vielleicht das Selbe?

'Nein, ist das niedlich!', dachte Joran, als er die Röte in Sturmwinds Gesicht bemerkte.
"Ja, so kann man es auch ausdrücken", sagte er nur und ging nicht weiter auf das Thema ein. Er spannte seinen Bogen, hing sich den Köcher und den Sack um und lief lautlos in das Unterholz. *Wie groß sind deine Jagderfahrungen und hast du eine bevorzugte Beute? Diese gelben Streifenviecher wird es hier wohl kaum geben und die großen Breitschaufler (Elche), die es bei uns gibt, wohl auch nicht. Ich habe bisher hier nur Rehe und Hirsche gesehen und so eine Art Schlammwühler (Wildschweine).*

*Ich bin seit meiner Kindheit mit auf Jagd gewesen. Erst waren es kleine Tiere, doch dann wurden sie immer größer. Die Gelbstreifenfelle waren mein erster großer Jagderfolg. Ich weiß noch, wie stolz ich war.* Sturmwind ließ Joran an seiner erfolgreichen, aber gefährlichen Jagd vor etwa 3 mal 12 Neumonden teilhaben (er war also 14). *Seit ich allein unterwegs bin, habe ich mich auf braune Hoppler (Kaninchen) eingeschossen. Sie reichten für mich allein.*
Der junge Schattenwaldelf überprüfte seine Jagdutensilien sehr genau, ehe er sich für eine Jagd bereit fühlte. Ein Pfeil, der sein Ziel in Gefahr genau traf, war ihm wichtig.
*Ich bin bereit*, erklärte er und fragte: *Sollen wir für die anderen mitjagen, oder nur für uns?*

Er grinste, als er sich vorstellte, wie er sich von braunen Hopplern ernähren sollte. Joran brauchte schon ein bisschen mehr, aber in der Not frist ein Troll ja bekanntlich auch Fliegen. Als er Sturmwinds Senden empfing, war er positiv erstaunt über die Leistungen des jungen Elfen, was er ihm durch ein Senden auch mitteilte. *Dann habe ich ja einen erstklassigen Gefährten bei mir.* Er ließ absichtlich die Zweideutigkeit in seinem Senden mitklingen, nur um Sturmwind mal wieder das Blut ins Gesicht zu treiben. 'Oh man, Joran!!!', meckerte der kleine weiße Elf in seinem Hirn mal wieder. 'Muss du den armen Kerl denn immer von einer Peinlichkeit in die nächste jagen?' 'Wieso?? Es ist einfach nur zu schön, wenn er leicht Farbe annimmt.', verteidigte sich der blonde Elf.
Doch dann wurde ihm Sturmwinds Frage wieder bewusst. "Nö, ich denke, die anderen sind eh momentan mit sich selbst beschäftigt, da stören wir nur", grinste er, denn er konnte ganz sachte die leise erotische Ausstrahlung von Jaris und der anderen Elfe spüren. Die erotische Welle, die von dem weißhaarigen Elfen und seinem unbekannten Gespielen ausging war da schon stärker. Sie war sogar so stark, dass sie Joran ein bisschen kribbelig machte und ihn dazu bewegte, Sturmwind immer wieder mit Gesten und Worten zu provozieren. "Und die schöne Katze kann sicher besser für sich jagen, als wir das könnten."

Sehr deutlich nahm Sturmwind die Nuance an Lust in Jorans Senden wahr. Was sollte er nun tun? Es war nur zu offensichtlich das der blonde Elf an ihm interessiert war. Sollte er sich auf Joran einlassen oder doch lieber warten, bis er auf die richtige traf, wie er es sich eigentlich vorgenommen hatte?
Er verschob die Gedanken erst mal, um sich auf die bevorstehende Jagd zu konzentrieren. Um ihn knisterte die Luft schon genug, da musste er nicht noch mehr dazu beitragen.
Wenn ich doch nur wüsste, was Joran in mir sieht? Sturmwind schüttelte sich. Wieso kam er von den Überlegungen nur nicht los? Der Elf aus dem Norden zog ihn an, wie noch nie jemand vorher. Aber das kann doch gar nicht sein.
*Feleya wird sehr gut allein zurechtkommen.* Sturmwind biss sich heftig auf die Lippe. Nein, das darf doch nicht wahr sein. Er hatte vergessen sich besser abzuschirmen. Seine Unruhe und sein Zweifel fanden den direkten Weg zu Joran. Sogar sein Interesse, dass er sich verbot, war mitgeschwungen.
Na toll, jetzt weiß er Bescheid.

Und schon wieder musste Joran grinsen. Dieser Junge war einfach zu niedlich. Er konnte ihn so gut verstehen, konnte so gut seine Gefühle nachempfinden, denn das alles hatte er vor nun 9 Sommern selber durchgemacht. Hatte sich immer wieder gefragt, ob das, was er empfand richtig war. Der Schamane und der Häuptling seines Stammes hatten ihm die Entscheidung nicht leicht gemacht, hatten sie ihn doch immer wieder fühlen lassen, dass sie ihn nicht für "normal" hielten. Erst Kalil hatte ihm sehr viel später klargemacht, dass es durchaus seine Richtigkeit hat, wenn man sich zu seinem eigenen Geschlecht hingezogen fühlt.

Sturmwind schielte immer wieder zu Joran. Was dachte der Elf jetzt von ihm? Würde er ihn jetzt nicht mehr ernst nehmen?

Aufmunternd lächelte er Sturmwind an. Dann konzentrierte er sich wieder auf den Waldboden vor ihm, auf dem er die Spur eines Rehs entdeckt hatte. *Leise, vor uns ist ein Reh.* Unvermittelt brach es durch das Gebüsch vor ihnen und lief am Ufer des Sees entlang. Pfeilschnell war Joran hinter dem Reh hergesprungen, ohne weiter auf Sturmwind zu achten. Alle Gefühle und Empfindungen waren wie weggeblasen, denn das Jagdfieber hatte ihn nun voll im Griff. Im Laufen zog er einen Pfeil aus dem Köcher, legte an und schoss.

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