Am Waldsee

Teil 47

Misstrauisch beobachtete Joran Aro bei seiner Heilung. Er hatte die Drohung des Ohrenabschneidens durchaus ernst gemeint. Wenn er dem jungen Dschungelelfen weh tun würde, war sich Joran nicht so sicher, ob das Aros Gesundheit bekommen würde. In diesem Moment spürte er, wie sich Sturmwinds Finger fester um seine Hand schlossen. Er blickte ihn liebevoll an, strich ihm sanft über die Stirn und sendete: **Du kannst aber auch nur an das eine denken, mein gieriger Schneestern. Und wo lassen wir Aro in der Zwischenzeit?**

**Ich liebe dich!** Sturmwind schloss die Augen und überließ sich Aro, dessen Magie er langsam spürte. Sein Körper kribbelte an einigen Stellen. Es war sogar angenehm.

Aro sondierte den Körper des jungen Elf und suchte nach den Verletzungen. Die kleineren Schürfwunden ließ er erst mal außen vor, um die würde er sich zum Schluss kümmern. Als sich seine Hände in Höhe der Stirn befanden, setzte er seine Magie gezielt frei, vertrieb die Kopfschmerzen und spürte die Kraft, die fast augenblicklich in den Körper unter sich zurückkehrte.
"Jetzt kann es kurz wehtun", teilte er Sturmwind mit, ehe er sich daran machte, die Knochen zu richten und sie zusammenwachsen zu lassen.

Sein Kopf war plötzlich frei. Wärme durchflutete Sturmwind und er atmete schon auf, als er den stechenden Schmerz in seinem Arm spürte. Er biss die Zähne zusammen und schon war es vorbei.

**Ich liebe dich auch, Schneesternchen!** Er beobachtete sowohl Aro als auch Sturmwind ganz genau, aber bis auf ein kurzes Zucken von Sturmwind, schien nichts weiter zu geschehen. Nur ein leichtes Leuchten nahm er um Aros Hände wahr. Oder war das nur eine Reflexion des Sonnenlichts? Joran nahm sich vor, Aro später darauf anzusprechen.

Als die Knochen ordentlich zusammengewachsen waren, nahm sich Aro die Wunde auf Sturmwinds Rücken vor. Er schickte seine Magie durch den Brustkorb hindurch und atmete ein, als die Wunde geschlossen war.
"Die kleineren Wunden können so verheilen. Jetzt kannst du zu mindestens wieder ruhig schlafen", sagte er leicht entkräftet.

Sturmwind schlug die Augen auf. Er fühlte sich so gut, wie schon lange nicht mehr. Trotzdem blieb er liegen und sprang nicht gleich auf.
"Danke."
**Ich sagte doch, es besteht keine Gefahr**, sendete er an Joran und drehte sich auf die Seite. Er würde noch eine Runde schlafen und dann mit frischem Mut ans Werk gehen. Er würde eine deftige Suppe kochen und sich damit auch bei Aro bedanken.

Joran deckte Sturmwind zu, stopfte das Gelbstreifen-Fell rundherum fest und streichelte ihm noch einmal über den Kopf. "Ja, du hast ja Recht, Schneestern. Und jetzt schlaf", murmelte er leise. Dann wendete er sich zu Aro um und reichte ihm erneut die Schale mit den Früchten. "Leider haben wir kein Fleisch mehr, ich muss erst jagen gehen." Er lächelte Aro an. "Danke, dass du Sturmwind geheilt hast. Ich habe dir Unrecht getan, aber wie ich vorhin schon sagte, ich habe Magie immer nur als etwas Schlechtes kennen gelernt." Er sah blicklos ins Feuer. Leise murmelte er vor sich hin: "Vielleicht würde Mutter heute noch leben, wenn Kjeldal Magie beherrscht hätte." Dann schüttelte er den Kopf, so als wollte er die dunklen Gedanken wie Fliegen vertreiben. "Erzähl mir, woher kommst du? Du sagtest, du bist ein Streuner und allein unterwegs. Aber du musst doch irgendwo herkommen. Wo bist du geboren? Und wie alt bist du? Du erscheinst mir umso vieles älter als Sturmwind und ich."

Aro nickte zufrieden, als Sturmwind sich zum Schlafen auf die Seite drehte, dann setzte er sich wieder ans Feuer. Dankbar nahm er Joran die Früchte ab. "Ich kann euch beim Jagen helfen", schlug er vor. "Aber erst morgen. Für heute wird das noch reichen." Er holte ein eingewickeltes Päckchen aus seinem Bündel. "Die Reste eines Wildschweins", lächelte er.
Aro stillte noch seinen Durst ehe er begann Joran von sich zu erzählen. "Ich gehöre keinem Stamm an. Meine Mutter gebar mich gar nicht weit von hier. Das ist etwas über 900 Jahre her. Sie zog mich alleine groß. Meinen Vater kenne ich nicht. Meine Mutter starb vor vielen Jahren. Ich war nicht bei ihr, als sie während eines Orkans von einem Ast erschlagen wurde. Lange habe ich mir Vorwürfe gemacht. Wenn ich bei ihr gewesen wäre, hätte ich sie heilen können."
Ganz bewusst erzählte Aro von seiner Mutter. Er hatte Jorans Worte sehr genau verstanden und wenn sie jemals etwas verbinden würde, dann war es der Verlust der Mutter.

Joran nickte nur bei Aros Erzählung. Kurz überlegte er, dann gab er sich einen Ruck. "Würdest du hier bei Sturmwind bleiben, während ich jage? Wie ich den Heißsporn kenne, wird er sofort wieder loslegen wollen, sobald er wach ist, aber ich denke, einen Tag Ruhe kann er gut noch gebrauchen, auch wenn du seine Verletzungen geheilt hast." Er sah Aro bittend an.

"Ich habe ein wachsames Auge auf ihn." Aro blickte Joran an. "Ich werd mich auch ein wenig ausruhen. Die Heilung hat mich doch einige meiner Kräfte gekostet."
Ohne zu fragen rollte Aro sein Fell auseinander, legte es auf die anderen Seite des Feuers und streckte sich lang aus.

Wieder nickte Joran zustimmend. Er griff nach seinem Bogen, dem Beutel für die Beute und verschwand lautlos im Wald. Die Hohen schienen ein Einsehen mit ihnen zu haben, denn keine hundert Schritte entfernt entdeckte Joran einen großen Busch mit köstlichen Beeren und gerade als er sich ans Pflücken machen wollte, schoss eine Bergziege laut meckernd aus dem Busch hervor. Zügig legte Joran an, zielte und schoss. Mit einem Klagelaut brach das Tier zusammen. Rasch pflückte Joran noch einige Beeren, dann schulterte er die Ziege und machte sich auf den Rückweg.

Aro hatte es sich gemütlich gemacht. Sein Blick ruhte auf dem jungen Elf, der schlief. Noch musste er sich schonen, aber schon morgen würde er sein Leben ganz normal weiterführen können.

Sturmwind lag einfach nur da. Er konnte sein Glück noch immer nicht richtig begreifen. Erst der schwere Sturz, der mehr als nur glimpflich ausgegangen war und nun auch noch Aro, der ihn einfach so heilte. Wie viel Glück konnte ein Elf haben, ehe es ihn verließ?
Er hörte Jorans Gespräch mit Aro und lächelte. Joran machte sich noch immer Sorgen, aber er schien dem Fremden unterdessen zu trauen, sonst würde er nämlich nicht jagen gehen.

Leise schlich sich Joran an den Lagerplatz. Er wollte Aro einige Momente ungesehen beobachten. Sturmwind hatte zwar Vertrauen in den älteren Elfen gefasst, aber Joran war immer noch ein wenig misstrauisch. Aro lag immer noch auf seinem Fell und schien zu schlafen, genau wie Sturmwind.
Dann betrat er ebenso leise die Lichtung, ließ die Jagdbeute von seinen Schultern gleiten und setzte sich neben Aro. "Schläfst du, Aro?", fragte er leise.

Aro hörte die leisen Schritte von Joran, blieb aber ruhig liegen.
"Nein, ich schlafe nicht", antwortete er ehrlich und drückte sich hoch. "Ich habe nur neue Kräfte gesammelt." Sein Blick glitt zu Sturmwind, der sich die ganze Zeit nicht gerührt hatte. **Dein Gefährte hat sich nicht von der Stelle gerührt**, sendete er, damit Sturmwind davon nichts mitbekam. Wusste er doch nicht, wie der junge Elf reagieren würde, wüsste er, dass er unter Beobachtung stand.
"Wie ich sehe war deine Jagd von Erfolg gekrönt. Kann ich dir beim Ausnehmen behilflich sein?"

Sturmwind waren nun doch die Augen zugefallen. Er schlief ruhig, ohne von Schmerzen gequält zu werden. Sein Schlaf war dadurch sehr erholsam. Leises Murmeln weckte ihn und nach einer Weile bemerkte er, dass sich Aro und Joran unterhielten.

Dankbar sah er Aro an und sein Misstrauen schmolz dahin wie Schnee in der Frühlingssonne. **Ja, wenn du die Ziege ausnehmen könntest, wäre ich dir dankbar. Ich hätte da nämlich noch was zu erledigen, was ich nur kann, wenn Sturmwind schläft.** Damit holte er den halbfertigen Bogen unter seinen Sachen hervor, blickte sich noch einmal um, um sicher zu gehen, dass Sturmwind wirklich noch schlief und begann, ihn mit dem Wachs, den er unterwegs noch gefunden hatte, einzureiben. **Sein Bogen war nach dem Sturz nur noch als Schienen für den Bruch zu gebrauchen**, sendete er erklärend. **Ich will ihn damit überraschen.**

Aro begann damit, der Ziege das Fell abzuziehen, ehe er sich daran machte, sie auszuweiden.
**Ihr könnt froh sein, dass ihr euch habt**, sendete er und wischte sich die blutigen Finger nachlässig ab. **Lasst euch von niemandem in eure Liebe reinreden.** Aro seufzte leise. Mit einem wehmütigen Lächeln dachte er an Rosenblatt, die lange seine Gefährtin gewesen war.

Entsetzt blickte Joran in Aros blaue Augen. **Ist es so deutlich?**

**Was ist so deutlich?** Aro verstand nicht so recht, was Joran jetzt von ihm wissen wollte.

**Dass ich ihn liebe**, gestand Joran und blickte zu Boden. Nun war es raus.

**Ja.** Über Aros Gesicht huschte ein Grinsen. **Schämst du dich deswegen?**
Junge Elfen, dachte er. Gerade mal den Kinderschuhen entwachsen und schon einen Gefährten. Ob sie überhaupt wissen, was noch alles auf sie zukommen kann?

Er blickte dem anderen Elfen fest in die Augen. **Nein, ICH schäme mich nicht dafür und ich stehe auch zu meiner Neigung. Aber für ihn...**, er wies mit dem Kopf auf den schlafenden Sturmwind. **... für ihn könnte es schwer werden, denn es ist seine erste Liebe.** So wie Aro reagierte, schien es ihm nichts auszumachen, dass sich zwei Männer liebten. Und wenn doch, so verstand er es sehr gut, dieses zu verbergen.

**Wenn du für ihn da bist, dann wird er auch mit Anfeindungen umgehen können.** Aro schnitt die Bergziege in mehrere handgerechte Teile. Die ließen sich besser transportieren und man hatte die richtigen Portionen, wenn man Hunger bekam.

Nachdenklich sah Joran erst Sturmwind, dann Aro an. "Ja, ich werde immer für ihn da sein, denn ich liebe ihn wie mein Leben", sagte er leise. Etwas aber musste noch raus, er musste es wissen, damit er beruhigt sein könnte. Aber wie sollte er Aro fragen, ohne ihn vor den Kopf zu stoßen, denn er war ihm ja irgendwie zu Dank verpflichtet, dass er Sturmwind geheilt hatte. Joran druckste eine Weile herum, dann gab er sich eine Ruck und fragte ganz direkt: "Stört es dich nicht, dass sich zwei Männer lieben?"

Aros Blick ruhte in Jorans Gesicht. "Ich lasse jeden so leben, wie er es will und wenn zwei Männer oder Frauen zusammen sind, ist es mir nur recht, außer es wäre meine Gefährtin", grinste er. "Die Hauptsache ist doch, dass sie glücklich sind oder nicht?"

"Tja, es gibt leider wenige, die so denken wie du, Aro. Das habe ich oft genug leidvoll erfahren müssen und ich will Sturmwind diese Erfahrungen ersparen, wenn es irgend geht." Er sah den alten Elfen wieder an. "Er hat schon genug durchgemacht."

"Das tut mir leid für dich. Bist du deswegen nur in seiner Begleitung unterwegs?" Aro nahm sich eines der Fleischstücke und schnitt es in feine dünne Streifen, die er zum Trocknen aufhängen konnte. "Sturmwind wird lernen müssen, dass es Elfen gibt, die ihn deswegen meiden oder gar verfluchen. Es wäre ganz gut, wenn du ihm das alles ganz deutlich erklärst und ihn darauf vorbereitest."

"Das habe ich schon. Aber ich fürchte, er wird daran noch sehr zu knabbern haben, trotz allem, was ich ihm erzählt habe." Joran seufzte und hoffte, dass sich das bewahrheitete, was Sturmwind ihm über seinen Stamm und dessen Toleranz gegenüber gleichgeschlechtlichter Liebe erzählt hatte. Dann viel ihm Aros erste Frage wieder ein. "Eigentlich war ich alleine unterwegs, genau wie du. Wir trafen uns zufällig und ich habe ihm versprochen, ihn auf der Suche nach seinem Bruder zu begleiten. Ich weiß nicht, was sein wird, wenn wir ihn gefunden haben." Das war es, was schon seit einiger Zeit an Joran nagte. Würde Sturmwind weiterhin bei ihm bleiben, würde er es überhaupt wollen, dass Joran bei den Dschungel-Elfen blieb? Oder würde er zurückkehren in sein altes Leben und sich eine Gefährtin suchen? Immer wieder kamen ihm Zweifel.

Aro nickte verstehend. "Was soll denn passieren, wenn ihr seinen Bruder gefunden habt?" Der blonde Elf schien unsicher. "Wovor hast du Angst? Sturmwind liebt dich doch, oder nicht? Habe ich sein Verhalten falsch gedeutet? Denkst du, er wird dich nicht mehr wollen, wenn sein Bruder von eurer Beziehung erfährt?"

"Nein, das nicht, aber ich fürchte mich davor, was passieren wird, wenn er sich in eine Frau verliebt", gestand Joran leise. Wieso erzählte er einem Fremden eigentlich seine innersten Zweifel? /Weil du ihm vertrauen kannst/, posaunte der weiße Elf in seinem Gehirn und sah den Roten gleich böse an, so dass dieser gar nicht erst den Mund auftat. "Vielleicht stellt er dann fest, dass die Liebe zu einem Mann doch nicht das ist, was er will. Er ist noch so jung und unerfahren."

"Wieso gerade wegen einer Frau? Genauso gut könnte er sich in einen anderen Mann verlieben. Das ist etwas, was leider immer passieren kann und da ist es egal, an welches Geschlecht man jemanden verliert. Es tut immer gleich stark weh." Aro zog die Stirn ganz leicht in Falten. "Die erste Liebe ist immer die Stärkste, da kann man machen was man will. Man vergisst sie nie und wenn er dich so liebt, wie sein eigenes Leben, dann wird er bei dir bleiben, egal was passiert. Du darfst ihm keinen Grund zum Zweifeln geben. Wenn er mit dir glücklich ist, dann will er es auch bleiben."

Joran war wie vor den Kopf geschlagen. An die Möglichkeit, dass Sturmwind ihn wegen eines anderen Mannes verlassen könnte, hatte er noch nie gedacht. Er sackte förmlich in sich zusammen und starrte Aro betroffen an. Dann sagte er leise: "Das er mich vielleicht wegen eines Mannes verlassen könnte, habe ich nie in Betracht gezogen." Er überlegte, ob er Aro alles erzählen sollte. Mittlerweile hatte er Vertrauen zu ihm gefasst und entschied, dass er es tun könnte. "Ich habe schon einmal eine Liebe an eine Frau verloren, deshalb habe ich so große Angst davor, dass es mir wieder passieren könnte."

"Man kann nie sagen, was genau in der Zukunft passiert. Ich hab immer versucht mit dem zu leben, was ich habe und die Momente genossen, in denen ich nicht allein war. Du tätest auch ganz gut daran. Nutze die Tage, die du mit ihm verbringen kannst..." Aro unterbrach sich, denn gerade hatte Sturmwind sich aufgesetzt und blickte neugierig zu ihnen rüber.

Sturmwind lauschte dem Gespräch zwischen Joran und Aro schon eine ganze Weile. Tief in sich spürte er die leisen Schmerzen, die Jorans Worte bei ihm hervorriefen. Es tat ihm weh, dass Joran ihm nicht trauen konnte. Vorsichtig setzte der junge Elf sich auf, ehe er sich erhob und leise in Jorans Richtung ging. Hinter ihm blieb er stehen, dann ging er in die Hocke und schlang die Arme um Jorans Brust. **Ich liebe dich!**, sendete er eindringlich. **Dich und niemand anderen.**

Joran dachte über Aros Worte nach. Ja, er würde die Zeit mit Sturmwind nutzen, solange sie währte und sich heute noch keine Gedanken machen, was in der Zukunft geschehen würde. Zumindest würde er es versuchen. Als sich zwei braune Arme um seine Brust schlossen, zuckte er kurz zusammen, denn er hatte, tief in seinen Gedanken versunken, Sturmwinds Schritte nicht gehört.
**Ich liebe dich auch, mein Schneestern**, beantwortete er das Senden. Ohne drüber nachzudenken, dass sie ja nicht alleine waren, zog er Sturmwind zu sich herum auf seinen Schoß und küsste ihn zärtlich. "Verzeih, wenn ich jemals an deiner Liebe gezweifelt haben sollte", sagte er leise.

Willig ließ sich Sturmwind auf Jorans Schoß ziehen und erwiderte sacht den Kuss.
"Denk nicht darüber nach", murmelte Sturmwind und drehte sich dann zu Aro. "Ich werd uns erst mal einen Eintopf machen."

Aro beobachtete die beiden Elfen ganz genau. Lächelnd sah er den Kuss und nickte zufrieden.
"Eintopf kling gut", erklärte er und begann ohne Aufforderung ein Stück der Ziege in mundgerechte Würfel zu schneiden.
"Erzählt mal!", bat er. "Wie lange seid ihr denn nun schon zusammen?"

Joran grinste, als Sturmwind voller Elan aufsprang. Er fasste ihn an der Hand und hielt ihn fest. "Ehe du hier irgendwas kochst, solltest du dir lieber was überziehen, sonst hast du morgen als Krönung noch eine Erkältung. Außerdem schickt es sich nicht, so vor Fremden rumzulaufen." Er klapste ihm mit der flachen Hand auf den nackten Po und schob ihn in Richtung ihrer Felle. Dann wendete er sich wieder Aro zu. "Wie lange wir zusammen sind? Da muss ich erst mal nachrechnen." Joran grübelte einen Moment. "Vier Mondwechsel, wenn ich mich nicht verrechnet habe." Fragend blickte er in Sturmwinds Richtung und suchte eine Bestätigung in seinem Gesicht.

"Oh." Sturmwind stockte kurz der Atem. Er hatte völlig vergessen, dass er immer noch nichts trug. Eilig zog er sich Lendenschurz und Hose über und hängte sich Jorans Umhang um. Er nickte Joran zu, als dieser ihn ansah. "In etwa", bestätigte er und setzte sich wieder neben ihn.

"Dann steckt ihr noch mitten in der Anfangsphase", resümierte Aro. "Da kommt man gar nicht so leicht aus den Fellen."
Ohne Unterbrechung schnitte er das Fleisch weiter klein. "Ich kann mir ganz gut vorstellen, dass ihr gerade jetzt am liebsten in die Felle hüpfen würdet. Sobald ich eine Runde geschlafen habe, überlass ich euch wieder euch selbst. Wenn ihr nichts dagegen habt, dass ich mich an eurem Feuer wärme."

Joran und Sturmwind wurden unisono rot bei Aros Worten. "Oh... äh... nein", stotterte Joran und überlegte, wie er Aro davon überzeugen konnte, dass er noch eine Weile blieb, denn ganz offensichtlich konnte er ihnen noch einiges über den Dschungel, den sie suchten, und auch über andere interessante Dinge erzählen. Klar hätte er Sturmwind jetzt liebend gerne in die Felle gezerrt und wäre ausgehungert über ihn hergefallen.


"Na, ausgehungert ist ja wohl nicht der richtige Ausdruck", meckerte Weißhemdchen gerade in Jorans Hirn.
"Nee, aber schon wieder hungrig oder immer noch", konterte der rote Elf megabreit grinsend. "Wenn es nach Joran geht, würde er ja pausenlos über den armen Jungen herfallen", trumpfte der Weiße auf.

"Ach? Und Sturmwind? Den hat ja nicht mal sein gebrochener Arm gebremst. Der ist mindestens genauso geil wie Joran." Des Roten Ohren bekamen Besuch von seinen Mundwinkeln.

"Ja, aber nur weil Joran ihn schon vollkommen verdorben hat", schimpfte Weißhemdchen.

"Ist doch gut. Soll ich dich auch mal verderben?" Wir kennen den Ausgang dieser Szene. Der Rote stürzt sich auf den Weißen, vernascht ihn unter anfänglichem Protest des Weißen, der sich aber sehr schnell in sein Schicksal fügt und begeistert mitmacht.


"Nein, Aro, bleib bitte bei uns und erzähl uns etwas von dem Dschungel. Und ja, du kannst dich selbstverständlich an unserem Feuer wärmen. Vor allem solltest du wirklich Sturmwinds Suppe probieren, die ist einmalig."

Sturmwind schluckte leicht. Aro schien ziemlich gut zu wissen, was in ihm und Joran vorging. Ohne eine Antwort holte er Erdäpfel hervor und begann sie zu schälen.
**Er hat Recht**, sendete er Joran. **Ich würde dich jetzt nur zu gern fühlen.**

"Was soll ich dir über den Dschungel erzählen? Dein Gefährte scheint ja von dort zu kommen. Ich habe zwar keine Ahnung, wie man dort überleben kann, aber es scheinen ja doch einige Elfen geschafft zu haben, auch wenn ich sie nicht gefunden habe. Vor langer Zeit hatte mir mal jemand von Forever Green berichtet und ich dachte mir, ich besuch den Stamm mal, aber meine Suche blieb erfolglos."
Neugierig beobachtete er nun Sturmwind, der sich an die Vorbereitung für die Suppe gemacht hatte.

**Das Teufelchen in meinem Hirn hat also doch Recht. Du bist mindestens genauso heiß wie ich.** Joran grinste jetzt genauso breit wie eben der Rote. **Aber solange Aro bei uns ist, fällt das ja wohl flach. Oder willst du es hier vor seinen Augen......** Er ließ das Ende des Satzes bewusst offen und wendete sich Aro zu. "Du sagtest vorhin, du kommst direkt aus dem Dschungel oder habe ich das falsch verstanden?"

Eine leichte Röte überzog Sturmwinds Gesicht, bei Jorans Senden. **Nein**, sendete er erschrocken. **Ich würde doch nicht vor Aro...** Sein Blick eilte als kleine Warnung zu Joran. Er wollte nicht noch mehr erröten.

Das leichte Rot auf den Wangen des jungen Elf entging Aro nicht. Er fragte sich, über was Joran und Sturmwind sich still austauschten, würde sich aber niemals seine Neugierde anmerken lassen.
"Ja, ich komme direkt aus dem Dschungel, wieso?"

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